Veranstaltungen

Identität 2.0: der digitale Mensch

Future innovation: Voraussetzungen – Erfahrungen – Werte
ALPBACHER TECHNOLOGIEGESPRÄCHE | 2013
Arbeitskreis 10 – "Identität 2.0: der digitale Mensch"
Fr., 23. August 2013, 09.00 – 15.00 Uhr, Hotel Böglerhof, Fichtenzimmer


Während die theoretische Möglichkeit von Parallelwelten auf quantenmechanischer Ebene nach wie vor heftig diskutiert wird, findet sie auf virtueller Ebene längst statt. Sie ist unserer IT-Gesellschaft geschuldet, die nicht nur ihre Kommunikation, sondern auch immer mehr Teile des sozialen Lebens zunehmend ins Web verlagert. Es sind dabei aber längst nicht nur mehr die „sozialen Netze“, die unseren Alltag in der digitalen Welt bestimmen. Wie bei allem im Leben bringt diese Entwicklung sowohl erhebliche Vor- als auch Nachteile. Wer gibt die Regeln in unserer digitalen Parallelwelt vor? Welche Möglichkeiten bietet die voranschreitende Digitalisierung des Wissens? Und vor allem: Inwieweit werden uns die technologischen Innovationen ermöglichen, noch tiefer in diese digitalen Welten vorzudringen?


Leitung: Gerald Groß, grossmedia

Betreuung: Christian Klobucsar, Chefredakteur AUSTRIA INNOVATIV

Sprecher & Themen: (in alphabetischer Reihenfolge)

  • DAS CLOUDCOMPUTIG – IDENTITÄT IN DER WOLKE?
    Ivona BRANDIĆ, Distributed Systems Group, Information Systems Institute, Vienna University of Technology
  • DIGITALE IDENTITÄTEN – eID 2.0
    Stefan BUMERL, CRYPTAS it-Security GmbH
  • WER SIND WIR? EUROPÄISCHE IDENTITÄT IM GESCHICHTLICHEN KONTEXT
    Thomas CORSTEN, Universität Wien, University of Oxford
  • ANDERS WISSEN, ANDERS LERNEN, ANDERS ARBEITEN
    Sebastian ESCHENBACH, Leiter des Master-Studiengangs Angewandtes Wissensmanagement, FH Burgenland
  • DEMOKRATISIERUNG DURCH IT?
    Friedrich FAULHAMMER, Rektor der Donau-Universität Krems
  • INTERNET UND DAS RECHT
    Gerald GANZGER, Lansky, Ganzger & Partner Rechtsanwälte GmbH
  • CYBER CRIME & SOCIAL MEDIA
    Franz LANG, Stellvertreter des Generaldirektors für öffentliche Sicherheit und Direktor des Bundeskriminalamtes


BERICHT AUS DEM ARBEITSKREIS:

Arbeitskreis 10 - Identität 2.0: der digitale Mensch 

Die Vortragenden des von der Forschung Austria initiierten Arbeitskreises waren sich einig: Wenn ich mich im Internet bewege, geht es um ein Abwägen zwischen Nutzen und Gefahr; Sensibilisierung ist wichtig, denn Informationen bleiben für immer im Netz; es gibt eine Ambivalenz zwischen der Skepsis vor Datenspeicherung und der  freiwilligen Veröffentlichung sensibler Daten. Der Saal im Böglerhof war voll: Rund 80 Teilnehmerinnen und Teilnehmer kamen. Die Eröffnung übernahm Siegfried Reich, Vizepräsident der Forschung Austria. Durch den Arbeitskreis führte Gerald Groß als Moderator, betreut wurde die Veranstaltung von Christian Klobucsar, Chefredakteur des Forschungsmagazins Austria Innovativ.

Rechtsanwalt Gerald Ganzger beleuchtete die rechtlichen Aspekte: Diese seien komplex, da für das Internet verschiedene Rechtsordnungen und Zuständigkeiten gelten. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sieht zwei Prinzipien, die gleichrangig sind, aber oft kollidieren: Medien- und Meinungsfreiheit steht oft dem Recht auf Ehre des anderen gegenüber. In den USA gibt es eine klare Präferenz, hier greift niemand die Meinungsfreiheit an; in Österreich ist der Schutz der Gesellschaft ein höherrangiges Gut.

Franz Lang vom Bundeskriminalamt begann seinen Vortrag damit, dass Blackberry, iPhone & Co. für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BKA tabu sind. Das BKA behandelt rund 10.000 Fälle von Cyberkriminalität pro Jahr, Lang ist sich aber bewusst, dass das nur ein Bruchteil der Dunkelziffer ist: „Wir wissen, dass wir punktuell Großbrände löschen.“ Wichtig wäre es, Trainings und Awareness in Schulen genauso wichtig zu nehmen wie Verkehrserziehung.

Prof. Thomas Corsten referierte im Zeitraffer über die Schaffung von Identität von den alten Griechen bis heute. Er begann mit dem Paradox, dass Karl der Große sowohl für Deutschland als auch für Frankreich (als Charlemagne) identitätsstiftend  ist. Was schafft nun traditionell Identität? Es sind die gemeinsame Sprache, eine gemeinsame (auch konstruierte) Abstammung, eine gemeinsame Religion, gemeinsame Rechtsvorstellungen und nicht zuletzt ein gemeinsamer Feind.

Stefan Bumerl von der IT-Security Firma Cryptas startete damit, dass sowohl „Identität“ als auch „digital“ sehr vielschichtige Begriffe sind. „Identität“ ist abhängig vom „Use Case“ und davon, wer die Identität nutzt. Bumerl: „Ich muss abwägen: Ist der Nutzen für den Endanwender größer, als das Risiko, dass Schaden entsteht?“ Wichtig sei, dass ich einen entstandenen Schaden erkennen und dann exekutieren kann.

Friedrich Faulhammer, Rektor der Donau-Universität Krems, machte sich Gedanken, wie demokratisch das Internet ist und was E-Democracy & Co. verändern. Zu den bisherigen vier Staatsmachten (Legislative, Judikative, Exekutive und die Medien) kommt die allgemeine Öffentlichkeit dazu, was alle anderen vier beeinflusst. Eine demokratiepolitische Gefahr nennt sich „Slacktivism“ (slacker und activism), das bedeutet, dass Leute ihre Stimme online eher schneller und unüberlegter abgeben.

Sebastian Eschenbach von der FH Burgenland beschäftigte sich mit dem Zusammenhang zwischen Informationstechnologie und Arbeitswelt. In den letzten Jahrzehnten habe sich die Arbeitswelt von manueller Arbeit, die auf Erfahrung aufbaut, weiterentwickelt. Diese Änderungen seien nicht in erster Linie von einer neuen Technologie getrieben, sondern von geänderten Vorstellungen, wie Menschen leben und mit Wissen umgehen wollen – dazu kommt ein Bündel an neuen Technologien, das auf vernetzten Computern basiert. 

Ivona Brandic von der TU Wien eröffnete ihren Vortrag mit: „Die große Herausforderung unserer Zeit sind die Daten.“ Wie kann ich diese Datenflut nutzen? Zum Beispiel für „Cloud Computing“. Dabei kann effizient auf ökologische und ökonomische Faktoren eingegangen werden, weil Daten nicht an physikalische Orte gebunden sind. Brandic: „Cloud Computing wird zur ‚5th Utility’ unserer Zeit (nach Wasser, Gas, Strom und Telefon), aber wir sind noch auf einem Level, als müssten wir Wasser aus dem Brunnen nachhause tragen.“

In der anschließenden sehr lebhaften Diskussion ging es neben den in den Vorträgen angesprochenen Themen vor allem um den Datenschutz. Die aktuelle NSA Affaire und die damit verbundene Vorgehensweise der deutschen und der österreichischen Behörden wurde heftig kritisiert und hinterfragt. Vor allem Franz Lang vom BKA und der im Publikum anwesende Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz Peter Gridling wiesen mehrfach darauf hin, dass sich die österreichischen Behörden nicht nur streng auf dem Boden der Gesetze bewegen sondern sich auch selbst vielfachen Überprüfungen unterziehen müssen. Als zweites großes Thema in der Diskussion kristallisierte sich die Problematik einer Güterabwägung heraus, nämlich zwischen der größtmöglichen Sicherheit auf der einen und der maximalen individuellen Freiheit auf der anderen Seite. Hier war man sich auf dem Podium einig, dass diese Abwägung zwar jeder Einzelne für sich selber treffen muss, dass es aber auch in Zukunft Instanzen geben wird müssen, die hier die Linie vorgeben. Als Dilemma in diesem Zusammenhang erweisen sich aber die unterschiedlichen Geschwindigkeiten der technologischen Entwicklung und der Gesetzgebung. „Während wir bei der Technologie schon bei 7.0 angelangt sind, sind wir in der Verwaltung erst bei 1.0.“, meinten gleich mehrere Diskussionsteilnehmer.

Impressionen

Bilder: C. Klobucsar 


Mitglieder