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KONFLIKT UND KOOPERATION IM ZEITALTER DER DIGITALISIERUNG

ALPBACHER TECHNOLOGIEGESPRÄCHE 2017
Arbeitskreis der FORSCHUNG AUSTRIA
Fr., 25. August 2017, 13:00-18:00 Uhr
Alpbach / Hotel Böglerhof, Fichtensaal


Die Breakout Session 09 stand heuer im Zeichen der Digitalisierung – und den daraus resultierenden Herausforderungen, aber auch Möglichkeiten hinsichtlich Konflikt- und Kooperationsprozessen. Es stellt sich zunehmend die Frage, ob Konflikte – die, so betont Gabriele Ambros in ihrer Eröffnungsrede, einen zentralen Stellenwert für eine funktionierende Gesellschaft haben – in der Informationsgesellschaft des 21. Jahrhunderts verstärkt werden oder ob Konflikte als Chance dienen können. In einer hochkarätig besetzten Runde, bestehend aus Muna Duzdar, Hubert Faustmann, Walter Peer, Ursula Rosenbichler, Viktoria Weber und Christian Wehrschütz wurden Gefahren, Chancen und Potentiale, die die Digitalisierungsprozesse mit sich bringen, aus ganz unterschiedlichen Perspektiven diskutiert.

Muna Duzdar, als Staatssekräterin verantwortlich für die Entwicklung der Digital Road Map, betont die Dualität der Digitalisierung – zahlreiche gesellschaftliche und politische Prozesse und Bewegungen wurden durch Digitalisierung überhaupt erst in deren Form ermöglicht. Nicht abzustreiten sei allerdings auch die Konfliktverstärkung, die durch Echokammern und Filterblasen durch die Anwendung von Algorithmen begünstigt wird. Die Anonymität im Internet, der Glaube, dass es keine Spielregeln gebe, habe die Form, wie Konflikte ausgetragen werden, verschärft. Besonders Fake News hätten eine besonders große politische Dimension, „die wir bis vor kurzer Zeit unterschätzt haben“. Digitale Bildung müsse forciert werden, „sonst wird Digitalisierung ein Eliteprojekt“. Die Politik sei in der heutigen Zeit gefordert, den Menschen die Angst vor der Veränderung zu nehmen, dafür zu sorgen, dass Digitalisierung so gestaltet und umgesetzt wird, dass es in allen gesellschaftlichen Bereichen keine Verlierer gibt.

Hubert Faustmann, Professor für Geschichte und Politikwissenschaften an der Universität Nicosia, rückte einen derzeit auch wieder medial präsenteren politischen Konflikt in den Fokus seiner Rede. Der vor einigen Wochen knapp vor einer politischen Einigung abgebrochene Dialog rund um den Zypernkonflikt sei ein gutes Beispiel dafür, welche Rolle Digitalisierung – in diesem Fall die Sozialen Medien – in einer Konfliktsituation spielen kann. Die Dynamik, den seit Jahrzehnten existenten Konflikt zwischen Türken und Zyprioten zu lösen, sei von oben gekommen, jene „von unten war nicht da, die Einigung war stets elitengetrieben.“ Die „einfache Bevölkerung“ – 94% aller griechischen und türkischen Zyprioten besitzen einen Facebook-Account – müsse stärker miteinander verknüpft werden. Die Gesamtgesellschaft nutze Facebook allerdings primär für private und weniger für politische Zwecke – und jene kleine Gruppe, die das Netzwerk für politische Zwecke nutze, sei wieder in sich geschlossen. In diesen Bubbles „klopfen sich dann alle auf die Schulter, aber man muss den gewöhnlichen Zyprioten dazu bringen, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und nicht nur in den Bubbles zu bleiben und in seinen Gruppen“ – auch über den Zypernkonflikt – zu reden.

Walter Peer, derzeit geschäftsführender Gesellschafter der Communalp GmbH bestätigt den Grundtenor der Runde; „Ein Konflikt ist nicht Schlechtes, vielmehr eine Triebfeder des Wandels, den man auch immer wieder braucht.“ Nach Engagements in der Baubranche und der Tiroler Stadtpolitik widmet er sich nun der Umsetzung von Projekten auf Gemeindeebene. Gerade hier spielen Digitalisierungsprozesse eine wichtige Rolle. Wichtig sei, digitale Formen nicht nur als Informationsweg, sondern auch als Beteiligungsweg zu sehen und dies auch der Bevölkerung so zu vermitteln. „Wer für die Digitalisierung wirbt, der wirbt für eine riesengroße Chance für Gemeinden und Kommunen.“ Die Vorteile, die die Digitalisierung auch auf Gemeindeebene mit sich bringen kann liegen für Peer auf der Hand. Professionell begleitet führen sie zu „mehr Offenheit, höherer Transparenz und höherer Akzeptanz unter den Menschen, für die die Projekte ja gemacht werden.“

Für Ursula Rosenbichler, Leiterin der Abteilung III/9 (Wirkungscontrollingstelle des Bundes), existiert bei der Einführung der Digitalisierung in Organisationen immer ein Mensch-Maschine-Dilemma. Einerseits müsse sich das Personal an die neuen Arbeitsmittel anpassen, andererseits sei auch ein „Übernutzen von Angeboten“ feststellbar, „die das System, die Organisation, vielleicht gar nicht braucht, die gar nicht notwendig sind“, damit das System funktioniert. Für die evidenzbasierte politische Gestaltung bietet die Digitalisierung zweifelsohne viele Vorteile, um Volkswirtschaften entsprechend steuern zu können. Als Beispiel bringt Rosenbichler die Verwertung von Satellitendaten (Dürreperioden die in Folge zu Wanderbewegungen und in weiterer Konsequenz zu politischer Instabilität führen können) für volkswirtschaftliche und politische Zwecke. Digitalisierung stellt somit ein wesentliches Tool dar, um Vorhersagen und Prognosen aufstellen zu können - genau damit müsse sich eine effiziente Verwaltung auseinandersetzen.

Für Viktoria Weber, Professorin für Angewandte Biochemie und Vizerektorin für Forschung der Donau Universität Krems, sind „Konflikte in der Wissenschaft keine Seltenheit“.Was Weber feststellt, ist, dass die Fülle der Daten und die Geschwindigkeit, mit der sich deren Verbreitung und Speicherung verändert habe, beachtlich sei. „Aber ist das wirklich alles Wissen? Sind diese verfügbaren Daten Wissen oder gibt es da nicht eine Diskrepanz dazwischen?“ Zentrale Spannungsfelder für die Wissenschaft sieht sie in den Bereichen Open Data, Open Access und Dark Knowlede. Zeitgleich stelle sich die Frage, ob Quantität zu mehr Qualität führe – und mehr Daten gleichbedeutend mit mehr Wissen und mehr Kompetenz sei. Durch die immer schneller werdende Forschung gebe es auf jeden Fall neue Anforderungen an die universitäre Lehre.

Auch aus Perspektive der Medien scheint die Digitalisierung ein zweischneidiges Schwert zu sein. Einerseits, so betont der Südosteuropa-Korrespondent Christian Wehrschütz, käme man heute wesentlich leichter an Personen und Informationen heran als früher. Auch die sozialen Netzwerke bieten – neben dem negativen Aspekt der Hasspostings – zahlreiche Möglichkeiten für Recherche und Kontaktaufnahmen. Andererseits werde die Möglichkeit der Manipulation von Informationen oder etwa Wahlen viel zu wenig diskutiert. Zu seinem journalistischen Kerngebiet, der Kriegsberichterstattung, attestiert Wehrschütz, dass die Digitalisierung zu einer neuen Qualität in der Kriegsführung geführt habe. War in früheren Kriegen der Abwurf von Flugschriften oder Zetteln zur Demoralisierung der gegnerischen Soldaten üblich, „werden heute einfach SMS mit bestimmten Inhalten verschickt oder der Gegner abgehört“.

 

Digitalisierung, so der Tenor, ist mehr als ein rein technischer Prozess, mehr als die verstärkte Integration von Technik in den Alltag. Vielmehr wirken die Veränderungen, die die seit vielen Jahren immer stärker beobachtbaren Digitalisierungsprozesse bedingen, tief in alle gesellschaftlichen Teilbereiche hinein. Konflikt und Kooperation bedingen sich nicht nur gegenseitig. Deren Austragungsformen unterliegen ebenso wie die Kommunikationsmuster des Einzelnen durch die Digitalisierung einem Wandel. Das Bewusstsein über und die Kenntnis von diesem Umstand, über die Vor- und Nachteile, über die Konsequenzen für die interpersonelle Kommunikation und Verhalten stellt die wohl zentralste Erkenntnis dar.

Fotos: Maria Noisternig

  • Key Note - Mag. Muna DUZDAR | State Secretary, Austrian Federal Chancellery, Vienna
  • Prof. Dr. Hubert FAUSTMANN | Director, Friedrich Ebert Foundation; Professor, School of Law, Department of European Studies and International Relations, University of Nicosia
  • DI Walter PEER | Managing Director, Communalp GmbH, Innsbruck
  • Univ.-Prof. Dr. Viktoria WEBER | Professor of Applied Biochemistry, Vice-rector for Research Danube University Krems
  • Mag. Christian WEHRSCHÜTZ | Correspondent [Southeast Europe | Belgrade/Kiev], ORF
  • Chair - Mag. Friedrich FAULHAMMER | Rector, Danube University Krems
  • Chair - DDr. Gabriele AMBROS | President, Forschung Austria; Managing Partner, Bohmann Publishing Group and Holzhausen Scientific Publishing, Vienna

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