Veranstaltungen

RESILIENZ – GESELLSCHAFT UND KRISENBEWÄLTIGUNG

ALPBACHER TECHNOLOGIEGESPRÄCHE 2018
Arbeitskreis der FORSCHUNG AUSTRIA
Fr., 24. August 2018, 13:00-18:00 Uhr
Alpbach / Hotel Böglerhof, Fichtensaal


Resilienz – wie Gesellschaften Krisen meistern können


Diese Breakout Session unter dem Vorsitz der Forschung Austria behandelte die Fähigkeit von Gesellschaften im Umgang mit Krisensituationen. Wie können Individuen, Organsationen und Gesellschaften Resilienz entwickeln? “Nur wenn wir die richtigen Fragen stellen und davon ausgehend die richtigen Schritte setzen, wird es uns gelingen, unsere demokratische, liberale und soziale Geselllschaft weiterhin zu stärken”, betonte Dr. Gabriele Ambros, Präsidentin der Forschung Austria und CEO des Verlags Holzhausen.

Claudia Arthur-Flatz, Division for Policy Analysis and Public Affairs, United Nations Office on Drugs and Crime in Wien ging in ihrem Statement der Frage: “Gesellschaftliche Resilienz und Migration - Bedrohen Schlepperwesen und ungesteuerte Migration unsere Gesellschaft? Welche Maßnahmen können dagegengesetzt werden?“ nach. Gesellschaften, meinte Arthur-Flatz, reagieren auf exogene und endogene Schocks - wie ungesteuerte Migration - mit Versicherheitlichungen. Analysen von Migrationsauswirkungen würden zeigen, dass Menschen versuchen, das „alte Wir vor dem neuen Wir zu schützen“, so die UNO-Expertin.  Die UNO wird von Mitgliedstaaten beauftragt, den Schmuggel von Migranten und Menschenhandel nach Europa durch transnationale Maßnahmen zu bekämpfen. Flatz zeigte Beispiele für die Umsetzung dieser Maßnahmen und beleuchte auch die Aufgaben der „European Naval Force in the Mediterranean“ (EUNAVFOR MED) in der Unterbindung von maritimer Kriminalität sowie Maßnahmen in Migrations-Ursprungsländern, um Schlepperwesen und Menschenhandel zu bekämpfen.

Alexander Demandt, Professor of Ancient History, Freie Universität Berlin, zog interessante Vergleiche mit der Nordgrenze des Imperium Romanum, die stets als Krisenregion galt. Aus der latenten wurde eine akute Krise, als unter Marc Aurel (161-180) die Germanen und Sarmaten zwischen Nordsee und Schwarzem Meer zugleich angriffen, während im Osten die Parther drohten. „Der Reichtum in den Provinzen lockte die kriegerischen und kinderreichen Stämme. Unter Aufbietung aller militärischen und finanziellen Mittel konnte der Kaiser, dauernd an der Front, einerseits durch Abwehr, andererseits durch Übernahme von Barbaren die Grenzen nochmals für 60 Jahre sichern“, erläuterte Demandt. Noch zweimal war später die Krise zu meistern, ehe sie im 5. Jahrhundert zum Ende des Imperiums führte, weil der Druck von mehreren Seiten zu groß wurde. „Beschleunigte Bewegung ist die Definition von Krise“, so Demandt.

Gerald Ganzger, Anwalt und Managing Partner, Lansky, Ganzger und Partner Rechtsanwälte GmbH, Wien, ging der Frage nach, wie resilient unser Rechtssystem ist und spannte einen Bogen zum Thema Datensicherheit bzw. EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Der mit der DSGVO geschaffene Katalog der Verpflichtungen der DatenanwenderInnen und der Rechte der betroffenen Personen ist sehr umfangreich und beinhaltet u. a. hohe Strafen. “Die nächsten Monate werden zeigen, ob dieses sehr ehrgeizige Datenschutzprojekt der EU die Resilienz des Datenschutzes tatsächlich stärkt, so Ganzger. Er wies auch auf eine weitere, durch die Digitalisierung entstandene Herausforderung des Rechtssystems hin: die stetig zunehmende Cyberkriminalität. Und: “So wichtig der Kampf gegen Cyberkriminalität ist, darf aber nicht auf die Einhaltung der Grundrechte der Bürger vergessen warden.” Ganzger warnte auch  vor Anlassgesetzgebung und Zeitgeist-Rechtssprechung.

Edeltraud Hanappi-Egger, Rektorin der Wirtschaftsuniversität Wien, behandelte in ihrem Statement die Wichtigkeit der Wirtschafts-(Aus)Bildung als Anker zur Krisenbewältigung und Resilienz im Falle ökonomischer Krisen. „Nicht nur Grundlagenwissen, sondern auch die Fähigkeit des interdisziplinären Arbeitens, lösungsorientierte Denkweisen und kritisches Reflexionsvermögen müssen gefördert werden, um zur Bewältigung ökonomischer, sozialer, juristischer und ökologischer Herausforderungen beitragen zu können“, betonte Hanappi-Egger. Die Studien und Lehrprogramme der WU vermitteln daher ein umfassendes, von Multidisziplinarität geprägtes Wirtschaftsverständnis und die in einer komplexen Wirtschaft und Gesellschaft notwendigen Reflexions- und Analysefähigkeiten sowie Lösungskompetenzen. Unterstützend wirken hier auch die vielfältigen wissenschaftlichen Einrichtungen, deren Wissen in die Lehre einfließt. Zahlreiche extracurriculare Angebote unterstützen die zukünftigen Entscheiderinnen und Entscheider dabei, Kompetenzen z.B. im Bereich sozialer Verantwortung oder Krisenmanagement aufzubauen.

Klement Tockner, Präsident des Forschungsförderungsfonds FWF wies darauf hin, dass Resilienz Systeme aufgrund besserer Anpassungsfähigkeit und Elastizität nachhaltig stärke – seien es Ökosysteme, soziale Systeme oder das Wissenschaftssystem. „Zudem benötigt es hin und wieder disruptive Prozesse, vergleichbar einem Störungsregime in Ökosystemen, um die Wissenschaftslandschaft in ihrer Entwicklung zu befördern“, sagte Tockner. Erfolgreiche Forschungseinrichtungen zeichnen sich durch flache Hierarchien, klare Entscheidungsprozesse, Internationalität und experimentellen Freiraum für Forschungsansätze und -kooperationen aus. Zugleich stärke ein fundiertes und qualitätsgetriebenes Wissenschaftssystem die Resilienz einer Gesellschaft. Die Grundlagenforschung sei eine verlässliche Versicherung für die gesellschaftlichen Herausforderungen der Zukunft.

Für Martin Schürz, Head, Monetary Unit, Österreichische Nationalbank, Wien sowie Individualpsychologe, bezeichnet Resilienz als die Anpassungsfähigkeit angesichts widriger Umstände. An Hand eines Fallbeispiels, eines jugendlichen Patienten, thematisierte er die Bedingungen, die eine günstige individuelle Entwicklung ermöglichen. Zudem besprach Schürz jene gesellschaftlichen Faktoren, wie Ungerechtigkeit, Gewalt und Ausbeutung, welche die Vulnerabilität von Menschen erhöhen.

Autor: Harald Hornacek
Fotos: Forschung Austria

Resilienz im Sinne von Widerstandsfähigkeit, d.h. als Eigenschaft, die Individuen, Organisationen und Gesellschaften befähigt, krisenhafte Situationen zu bewältigen, soll im Arbeitskreis der Forschung Austria gesamthaft diskutiert werden. Im Zentrum des heurigen Arbeitskreis der Forschung Austria im Rahmen der Alpbacher Technologiegespräche stehen folgende Referentinnen und Referenten:
 

  • Emer. Univ.-Prof. Alexander DEMANDT, Professor für Alte Geschichte der Freien Universität Berlin
    Resilienz und Antike: Krisen sind kein Merkmal von heute. Die Reichskrise Roms – Was führte zu fehlender Resilienz? Abwehr oder Einbürgerung als Antwort auf die Intervention fremder Mächte?
     
  • Dr. Gerald GANZGER, Rechtsanwalt, Kanzlei Lansky, Ganzger und Partner
    Resilienz und Recht: Wie resilient ist unser Rechtssystem? Wie schaffen wir Datensicherheit?
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  • Univ.-Prof. Dr. Edeltraud HANAPPI-EGGER, Rektorin der Wirtschaftsuniversität Wien
    Ökonomische Resilienz: Krisenbewältigung und Resilienz im Falle ökonomischer Krisen – wie stabil ist unser Wirtschaftssystem?
  • Mag. Claudia ARTHUR-FLATZ, UNODC – United Nations Office on Drugs and Crime – United Nations Office on Drugs and Crime
    Gesellschaftliche Resilienz und Migration: Bedrohen Schlepperwesen und ungesteuerte Migration unsere Gesellschaft? Welche Maßnahmen können dagegengesetzt werden?
  • Dr. Martin SCHÜRZ, Individualpsychologe die Boje, Head Monetary Unit,
    Oesterreichische Nationalbank
    Individuelle Resilienz: Wie groß ist der Einfluss der Bildung auf die Entwicklung von Widerstandsfähigkeit angesichts persönlicher Krisen? Wodurch bewältigen Menschen Krisen leichter?
     
  • Univ.-Prof. Dr. Klement TOCKNER, Präsident des Forschungsförderungsfonds FWF
    Resilienz und Wissenschaft: Was stärkt das Wissenschaftssystem und macht es weniger anfällig gegen Eingriffe?
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