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WIE VIEL STAAT BRAUCHT DIE FORSCHUNG? Zur Rolle der Unterstützung für Forschung und Entwicklung

EXECUTIVE SUMMARY WORKSHOP FORSCHUNG AUSTRIA 2016
Fr., 26. August 2016
Alpbach / Hotel Böglerhof, Nr. 166, Fichtensaal


Die Rolle staatlicher Institutionen im Rahmen der Forschungsförderung werde zumeist unterschätzt, meinte Forschung Austria Präsidentin Gabriele Ambros, Vorsitzende des FTI-Rates Burgenland und Aufsichtsratsvorsitzende der Fachhochschule Burgenland:  „Erst staatliche oder regionale Programme sowie das Bekenntnis der Politiker zum Ausbau der Forschung sind eine Garantie dafür.“ Die Aufgabe der Forschungsförderung sei es, das Risiko innovationsfreudiger UnternehmerInnen und ForscherInnen zu reduzieren sowie Anreize zu schaffen und Hemmnisse abzubauen. Letzten Endes müsse auch ein Wissenstransfer ins Ausland stattfinden und sich in Produkten manifestieren, die auf den Weltmärkten Nachfrage finden.

Moderator Karl Blecha, Präsident der Gesellschaft zur Förderung der Forschung (GFF),  stellte in seinem Eingangsstatement fest, dass die Grundlagenforschung in Österreich in überwiegendem Maße bei den Unis angesiedelt und damit durch staatliche Finanzierung gesichert sei. Blecha sprach sich für ein Ende der „Gießkannenförderung“ aus, der er eine „Kampfansage“ erteilte. „Industriepolitik braucht Forschung und damit Forschungsförderung“, stellte Blecha klar.

Angelika Flatz, Sektionschefin im BKA und zuständig für Öffentlichen Dienst und Verwaltungsinnovation, ging in ihrem Statement auf die Frage ein, wie sich gegenseitige Wahrnehmung und Diskurs der nationalen Innovationspartner Staat und Forschung entwickeln. Das Ziel müsse ein noch stärkerer kollaborativer Prozess sein. Die Verwaltung als wichtige Basis der staatlichen Funktionsfähigkeit sei hier ein besonders wichtiger Faktor. Steigende Komplexität der Systeme sowie der Druck zur Internationalisierung würden dafür sorgen, dass man bei der Suche nach Optimierungspotenzialen in Staat und Verwaltung neue Wege gehen müsse. „Wir müssen die Verwaltung und den Staat zukunfts-fit machen“, so Flatz, was auch eines deutlichen kulturellen Wandels bedürfe. Die von Flatz näher präsentierte wirkungsorientierte Verwaltung mit Folgenabschätzung ist hierbei ein europaweit einzigartiges Pionierprojekt. Es basiert auf Tradition und Systemveränderung und sorgt zugleich für Stabilität und Wandel in der Verwaltung und im Gestaltungsprozess. „Es ist ein Bruch mit dem Bisherigen“, sagte Flatz, und ändere auch die Rahmenbedingungen zur Organisation von Innovationen. Radikale Ideen und transdisziplinäre Zugänge sind hier durchaus gewünscht. Diese Ideen werden seit Anfang 2016 im GovLabAustria umgesetzt – ein offener Experimentierraum, initiiert von BKA und Donau-Universität Krems. „Staat und Verwaltung sollen nicht als reiner Finanzier oder Kostenverursacher gesehen werden, sondern als direkter Innovator und Risikopartner für Neues“, resümierte Flatz.

MR Gernot Grimm von der Stabstelle Technologietransfer im BMVIT sprach sich in seinem Statement für klar strukturierte Aufgaben des Staates aus. „Je entwickelter und segmentierter die staatlichen Infrastrukturen sind, desto mehr Staat braucht es in der angewandten Forschung und Entwicklung“, so Grimm. Wobei F&E kein Selbstzweck seien, sondern als Basis für den Verkauf von Ideen und Produkten in die internationalen und nationalen Märkte dienen sollen. Das sei nicht immer einfach, weil Österreich in vielen Bereichen einen gesättigten oder einfach zu kleinen Markt aufweise. Dennoch sieht sich das BMVIT in der Verantwortung, was Grimm am Beispiel der Eisenbahnindustrie illustrierte. Österreich verfüge über exzellente Infrastrukturtechnologien, die das Hintergrundwissen für Exporte bilden – in den Binnenmarkt oder in die internationalen Märkte. „Wir hätten unsere Stahlindustrie vor 30 Jahren zusperren können, aber wir haben es nicht getan“, so Grimm. Stattdessen habe man versucht, volkswirtschaftlich positive Effekte durch die Entwicklung neuer Technologien in spezialisierten Märkten zu schaffen. Ein Blick auf rund 460 Infrastruktur-Unternehmen mit mindestens 20 Prozent Exportquote zeige, so Grimm, die Bedeutung dieser Strategie. Allein diese Unternehmen stehen für fast 50 Mrd. Euro Exportvolumen und sichern direkt 200.000 Arbeitsplätze. Diese Betriebe, die sich in ihrer  Branche hochspezialisiert haben, weisen auch eine höhere Produktivität als der Durchschnitt auf. Auch das sei ein Beleg für die Wichtigkeit der Exportförderung, die innovative Unternehmen unterstütze und den Standort Österreich stärke.

Walter Mayrhofer, Geschäftsführer FTI Burgenland wies darauf hin, dass es derzeit ein Gefälle in der lokalen Ausprägung von F&E-Strukturen gebe. „Die Sinnhaftigkeit großer staatlicher Forschungsprogramme ist unbestritten“, so Mayrhofer, „allerdings kommt der Aspekt der Regionalentwicklung zu kurz.“ Die Stimmung im ländlichen Raum für Innovationen sei eigentlich gut – „die Firmen, die da sind, sind zufrieden“, weiß Mayrhofer. Dennoch sei angesichts der Bedeutung des ländlichen Raums – immer leben 58 Prozent der Bevölkerung in den EU 27 Staaten dort, 53 der Arbeitsplätze sind im ländlichen Raum verankert und 43 Prozent der Wertschöpfung entstehen hier – die Präsenz von F&E-Strukturen untergewichtet. „Forschungsinfrastruktur ist urban“, so Mayrhofer, das sei wenig überraschend. Doch es sei zu bedenken: „Behaviour follows structure“. Anders gesagt: Der ländliche Raum verkümmere, wenn daseinswichtige Strukturen wie Poststellen, Bahnverbindungen oder ähnliches ständig reduziert würden. „Die Frage ist: Wollen wir uns künftig auf schlagkräftige urbane Einheiten konzentrieren oder stärken wir die Innovation im ländlichen Raum?“, meinte Mayrhofer. Wo eine gute Infrastruktur vorhanden sei, siedeln sich leichter Betriebe an, kommen qualifizierte MitarbeiterInnen nach, entsteht regionale Wertschöpfung. Daher plädierte Mayrhofer dafür, die vorhandenen F&E-Strukturen wie HTLs oder FHs deutlich zu stärken.

FFG-Geschäftsführer Klaus Pseiner meinte in seinem Vortrag, dass die derzeitigen Rahmenbedingungen für die FFG nicht einfach seien. Nach Phasen der Infrastrukturschaffung in den 1970er Jahren und der Rolle des Gestalters in den 1990er Jahren gehe es für den Staat nun darum, die FTI-Politik erneut sich ändernden Märkten anzupassen. Die Schaffung von Silicon Austria sei hier ein wichtiges Signal. Die FFG als Exportunterstützer übernehme eine wichtige Rolle in der Internationalisierung von Produkten und Ideen. „Rund ein Drittel aller FFG-Projekte führen zu Aktivitäten in neuen Feldern“, betonte Pseiner und wies auf die daraus folgende „smart diversification“ hin. Allerdings sei der Förderanteil der FFG-Barwerte in den letzten Jahren zurückgegangen. „Die industrielle private Förderung entwickelt sich stark positiv, die öffentliche Hand hält hier leider nicht mit“, konstatierte Pseiner. Insgesamt stünden über FWF, FFG, Rahmenprogramme und Forschungsprämie rund 1,4-1,5 Mrd. Euro zur Verfügung. In der Grundlagenforschung sind es rund 950 Mio. Euro. „Der Staat nimmt sich budgetär in der Rolle des aktiven, verhaltensändernden Gestalters zurück – erfolgt das gewollt oder ungewollt?“, meinte Pseiner.

ACR-Präsident Martin Leitl betonte in seinem Statement vor allem die vielfach unterschätzte Rolle der KMU im Innovationsprozess. „Im Maschinenbau sind wir sehr gut unterwegs, auch in der elektrischen Ausrüstung – aber in anderen Branchen gibt es noch sehr viel Innovationspotenzial“, so Leitl. Jüngste Studien, wonach nur 3300 von insgesamt 250.000 KMU tatsächlich Forschung betreiben, hinterfragte Leitl durchaus – aber er hielt auch fest, dass es für KMU nötig sei, schnell in den Markt zu bringende Innovationen zu schaffen. Vor allem 2010 und 2011 sei Österreich in wesentlichen Indizes zurückgefallen. Die Gründe dafür seien zu hinterfragen, meinte Leitl, vor allem müsse man klären, wie man eine Schubumkehr auslösen könne. ACR mit ihrer hohen KMU-Verankerung könne dazu wertvolle Beiträge leisten. „72 Prozent unserer Aufträge haben einen KMU-Bezug“, betonte Leitl. Er brachte die Idee eines „Innovations-Agenten“ ins Spiel, der von den Unis aus in die KMU gehen und dort Innovationspotenziale eruieren solle. „Erfolgreiche KMU sind die Basis für Österreichs Innovation Leadership“, schloss Leitl.

Die Rolle der FHs im Innovationsprozess behandelte Gernot Hanreich, Rektor der FH Burgenland. Seit 1993 das FH-Gesetz beschlossen wurde, habe sich durch eine effektive Intervention und Aufbau von COIN oder Josef-Ressel-Zentren eine starke Rolle der FHs ergeben. „Von 2002 bis 2011 haben sich die Aufwendungen für Forschung an den FHs vervierfacht“, so Hanreich. Dennoch liegen sie erst bei rund 3 Prozent des gesamten Forschungsaufkommens – das zeige, welches Potenzial hier noch stecke. Die Regionalität der FHs und die Nähe zu ihren Praxispartnern sei dabei ein wertvolles Asset. „80 Prozent der Wirtschaftspartner sind in einem Umkreis von 100 km zur FH zu finden“, betonte Hanreich. Mit rund 48.000 Studierenden in 21 FHs haben die Fachhochschulen ihre Position im Innovationsprozess aufgebaut. Durch die inhaltliche Verbreiterung in Richtung Soziales und Gesundheit sei man auch bei wichtigen Zukunftsthemen gut aufgestellt. „Ziel muss sein, den FHs einen klaren, starken Auftrag zu geben“, so Hanreich – und das erfordere auch eine einheitliche Sicht der Rolle der FHs im Innovationsprozess und ein deutliches Bekenntnis zu dieser Position.

Autor:
Harald Hornacek
Chefredakteur AUSTRIA INNOVATIV
Mail: h.hornacek@bohmann.at

Programm:

Moderation:
Dr.h.c. Karl BLECHA, Präsident, GFF – Gesellschaft zur Förderung der Forschung

Begrüßung:
DDr.in Gabriele AMBROS, Präsidentin, Forschung Austria; CEO, Verlagsgruppe Bohmann

09:30 
INDUSTRIEPOLITIK BRAUCHT FORSCHUNG, FORSCHUNG BRAUCHT DEN STAAT BEI DER VERMARKTUNG IHRER ERGEBNISSE - Dr.h.c. Karl BLECHA, Präsident, GFF – Gesellschaft zur Förderung der Forschung

09:45
GOVLABAUSTRIA – STAAT UND FORSCHUNG IM DIALOG - Sektionschefin Mag. Angelika FLATZ, Öffentlicher Dienst und Verwaltungsinnovation, Bundeskanzleramt
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10:00
ANGEWANDTE FORSCHUNG ALS ORDNUNGSPOLITISCHE MÖGLICHKEIT - MR Dr. Gernot GRIMM, Stabstelle Technologietransfer, BMVIT
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10:15
FORSCHUNG IM LÄNDLICHEN RAUM – ZWISCHEN MARKTPOLITISCHEN BEDÜRFNISSEN UND GESTALTERISCHEN NOTWENDIGKEITEN DES INNOVATIONSSYSTEMS - DI Dr. Walter MAYRHOFER, Geschäftsführer, Forschungsbeauftragter, FTI Burgenland
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10:30
PERSPEKTIVEN FÜR DIE FORSCHUNGSFINANZIERUNG STRUKTUR FOLGT STRATEGIE - Dr. Klaus PSEINER, Geschäftsführer, FFG – Die Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft
Präsentation zum Download

10:45
MIT INNOVATIVEN KMU ZUM INNOVATION LEADER - DI Martin LEITL, Präsident, ACR – Austrian Cooperative Research 
Präsentation zum Download

11:00
ASPEKTE ZU FORSCHUNG UND FORSCHUNGSUNTERSTÜTZUNG IM ÖSTERREICHISCHEM FACHHOCHSCHULBEREICH - Prof.(FH) DI Dr. Gernot HANREICH, Rektor, Fachhochschule Burgenland
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11:15 Diskussion

11:30 Ende


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